Chlausabend am 5. Dezember 2022: Vorträge von Xaver Schmid und Ivan Cucchi

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Dieser Abend diente einerseits dem geselligen Beisammensein mit Gesprächen, Knabbereien und Getränken, anderseits kamen wir in den Genuss von zwei Vorträgen, die hier notizenhaft zusammengefasst werden.


Ivan Cucchi: Pilz-Jahresrückblick 2022


Ivan stellte die Frage, ob das Pilzvorkommen in den zwei letzten Novemberwochen 2022 speziell gross war. Die meisten von uns hatten den Eindruck, dass in diesen späten Wochen des Jahres 2022 erstaunlich viele Pilze zu finden waren. Gemäss der Tageslisten der letzten 10 Jahre, die Hans Grutsch für unseren Verein jeweils zusammenstellt, konnte Ivan aufzeigen, dass die beiden letzten Novemberwochen 2016 ähnlich pilzreich waren. In der letzten Novemberwoche 2022 wurden bei uns rund 125 Arten bestimmt, in der letzten Novemberwoche 2016 rund 118 Arten!
Bei dieser Gelegenheit dankte Ivan Hans Grutsch herzlich für seine zeitaufwendigen Zusammenstellungen.


2022 wurden in unserem Verein 3077 Pilz-Bestimmungen gemacht, bei 1039 festgestellten Arten, d.h. gewisse Arten wurden an mehreren Vereinsabenden bestimmt.


Während der letzten zehn Jahre war das Jahr 2014 bei uns ähnlich ergiebig: 3024 Pilzbestimmungen bei 926 verschiedenen Pilzarten.


Auf der Pilz-Hitparadenliste 2022 stand Clitopilus prunulus (Mairitterling, Maipilz) an erster Stelle, gefolgt von Trametes versicolor (Schmetterlings-Tramete), Fomitopsis pinicola (Rotrandiger Baumschwamm, Fichtenporling), Xerocomellus chrysenteron (Rotfussröhrling) und Hypholoma fasciculare (Grünblättriger Schwefelkopf).

Pilz-Hitparade 2022


An gefährlich giftigen Pilzen gemäss der VAPKO-Liste wurden 2022 ausser Amanita verna (Frühlings-Knollenblätterpilz) alle Arten mindestens einmal vorgestellt. Dies ist zu Übungszwecken sehr wichtig, vor allem für Vereinsmitglieder, die sich zu PilzkontrolleurInnen ausbilden lassen wollen.


Die tödlich giftige Pilzart Amanita verna (Frühlings-Knollenblätterpilz) lag in den letzten 10 Jahren in unserem Verein nie auf. Sie soll laut SwissFungi-Verbreitungskarte ab ca. Juni und eher in tiefen Höhenlagen vorkommen. A. verna soll sich mit aufgetragener KOH-Lösung deutlich gelb färben.
Amanita phalloides (Grüner Knollenblätterpilz) erscheint eher später im Jahr. Die weisse Form von A. phalloides, kann leicht mit A. verna verwechselt werden. A. phalloides-Formen zeigen nach KOH-Applikation jedoch keine Gelbfärbung.


Paralepistopsis amenoelens (Parfümierter Trichterling), ein in der Schweiz erst seit neuerer Zeit auftretender gefährlicher Giftpilz (ein sog. Neomycet), wurde in unserem Land erst im Wallis und Tessin gesichtet. Er gleicht sehr dem Fuchsigen Trichterling in hellerer Erscheinungsform. Sein stark aromatischer Geruch erinnert an Inocybe bongardii (Duftender Risspilz).


Ivan präsentierte uns zum Schluss noch die neuesten Untersuchungen zur “falschen Morchel”, d.h. der Frühlings-Lorchel. Roh gegessen oder nicht richtig zubereitet kann sie gemäss neueren Erkenntnissen zur Verursacherin der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS), einer chronisch fortschreitenden degenerativen Erkrankung des Nervensystems, werden. Der Verkauf von Lorcheln ist deshalb in vielen europäischen Ländern verboten.

Ivan Cucchi und Xaver Schmid beim Einrichten der Geräte für die Vorträge

Xaver Schmid: Das Reich der Myxomyceten (“Schleimpilze”)


Die Myxomyceten haben Eigenschaften, die wir von Tieren her kennen (im Frühstadium beweglich, sog. Plasmodium) und Eigenschaften, die wir von Pilzen her kennen (unbewegliche, pilzartig wirkende Fruchtkörper im Sporenstadium).
Sie bilden ein eigenes Reich, wie das Tierreich, Pflanzenreich, Pilzreich, etc.


Myxomyceten sind sehr heikel. Damit sie überhaupt in Erscheinung treten können, sind viele Bedingungen erforderlich: sowohl Substrat, Standort, Feuchtigkeit als auch Temperatur müssen stimmen.


Xaver zeigte uns anhand beeindruckender Fotos viele einzelne Myxomyceten-Arten, so z.B.:


Fuligo septica – Gelbe Lohblüte
Tubifera ferruginosa – Lachsfarbener Schleimpilz

Fuligo septica
Tubifera ferruginosa

Dictydiaethalium plumbeum – Braunes Wabenpolsterchen
Lycogala epidendrum – Blutmilchpilz

Dictydiaethalium plumbeum 
Lycogala epidendrum

Ceratiomyxa fruticulosa – Geweihförmiger Schleimpilz (diese Art ist die einzige Schleimpilzart mit Sporen ausserhalb des Fruchtkörpers)
Physarum lycophaeum – Breitfuss-Stielkügelchen* (mit kleinen gelben gestielten Kügelchen).
Stemonitis axifera – Gemeines Fadenkeulchen
Stemonitopsis spec. – Spez. Fadenkeulchen
Metatrichia floriformis**
Trichia varia – Gelber Haarstäubling (kleine braune Kügelchen)

Ceratiomyxa fruticulosa
Trichia varia

Trichia decipiens (eine Kolonie von Kügelchen in verschiedenen Stadien)
Hemitrichia serpula – Netzartiger Schleimpilz
Leocarpus fragilis – Löwenfrüchtchen

Hemitrichia serpula 
Leocarpus fragilis 

Arcyria incarnata – Roter Kelchstäubling
Badhamia utricularis – Fadenfruchtschleimpilz


Badhamia utricularis


* Der deutsche Name dieses Schleimpilzes stammt von: www.123pilzsuche-2.de.
** Von dieser Schleimpilzart ist bisher kein deutscher Name bekannt

Fotos: Jürg Mächler (sie stammen nicht von Xavers Vortrag)