Brigitta Danuser, Christian Klee
Erstfund
Im November 2021 fand ich (Erstautorin) im Aschuelwald (ca. 1750m ü. M.) ob St. Antönien GR, auf nackter Erde, nach mehreren Frösten und ca. einwöchiger Schneebedeckung mehrere, im Durchmesser ca. 1,5-2,5 cm grosse, aus gewundenen Teilen bestehende weiss-cremefarbene Kugeln, sich wächsern anfühlend und ganz leicht von der Erde lösend. Mit der Lupe zeigte sich eine wie aus aufgeblasenen Windungen bestehende Oberfläche. Aufgeschnitten erscheint eine an einen Hirnschnitt erinnernde Struktur mit grauer Rinde und weissem Mark (s. Bild 1).
Bild 1: Die im November 2021 gefundenen gewundenen Kugeln
Leider in einem schon vertrockneten Zustand brachte ich den Pilz in den Pilzverein. Die mikroskopische Untersuchung durch Christian Klee zeigte, dass es sich nicht um einen Ascomyceten handelte, wie vermutet. Eine Woche später brachte ich ein weiteres Exemplar der gleichen Pilzart in frischem Zustand und fand auch noch einen zweiten Ort des Vorkommens im Aschuelwald. Christian untersuchte diesen nochmals und kam durch die typischen Sporen und Basidien zur Hypothese, dass es sich um eine Clavulina-Art (zu Deutsch Keulenpilz1) handle, sehr wahrscheinlich um eine Clavulina reae. Die seltsame Form könnte durch einen Pilzbefall hervorgerufen worden sein, wie in »I Fungi Clavarioidi in Italia« von Franchi und Marchetti (2021), abgebildet. Es konnte jedoch weder mit der Lupe noch mit der Stereolupe ein äusserer Pilzbefall sichtbar gemacht werden.
Wissenswertes über die Parasiten und ihre Gastpilze
Diplococcium clavariarum (früher Spadicoides clavulorum) aus der Gattung Hyphomycetes und Helminthosphaeria clavariarum, eine Helminthosphaeriaceae und Ascomycet (Schlauchpilz) sind die bekannten parasitischen Pilze, die Clavulinae2 befallen. Viele Autoren vermuten, dass Diplococcium clavariarum die anamorphe Form von Helminthosphaeria clavariarum darstellt, basierend auf den Schlussfolgerungen von Samuel et al 1997. Doch gibt es bis heute keinen Beweis dafür, ausser, dass sie häufig zusammen vorkommen. In der neuesten gefundenen genetischen Studie, Shenoy et al (2010), wurde zwischen Diplococcium spicatum, wie Diplococcium asperum und Helminthosphariae clavariarum keine nahe phylogenetische Verwandtschaft festgestellt. Es muss aber bemerkt werden, dass Diplococcium clavariarum nicht in die Analyse miteinbezogen wurde. Da die Beziehung der beiden Parasiten zueinander nicht geklärt ist werden die beiden Pilze in diesem Bericht immer mit ihrem Namen angesprochen und nicht einfach generell als Helminthosphaeria clavariarum.
Diplococcium clavariarum parasitiert Fruchtkörper von Clavulinae und produziert eine Art von Haftscheibe (Appressorium). Von dieser aus treibt er Vorwölbungen in die Zellwand des Gastpilzes. Der Gast reagiert mit Hinzufügen von zusätzlichem sekundärem Wandmaterial an der Stelle der Interaktion (Kirschner und Oberwinkler (2008)). Den Autoren ist es gelungen Diplococcium clavariarum im Labor zu züchten. Helminthosphaeria clavariarum hingegen konnte bis heute nicht gezüchtet werden.
Diplococcium clavariarum ist als graubrauner Belag v.a. am Stamm des Keulenpilzes sichtbar. Am selben Ort findet man auch Helminthosphaeria clavariarum, schwarz-braune, dreckig wirkende Pünktchen bildend. Gemäss Franchi und Marchetti (2021) wird in erster Linie Clavulina coralloides (Kammförmiger Keulenpilz) aber auch C. rugosa (Runzeliger Keulenpilz) und C. reae (ein deutscher Name existiert nicht), seltener auch C. cinerea (Grauer Keulenpilz) befallen.
Ein Befall verursacht bei den genannten Clavulina-Arten einerseits eine Farbveränderung, andererseits eine Form- oder Wachstumsveränderung, vor allem an den Spitzen (Olariaga et al. (2009)). So kann eine befallene C. coralloides eine C. cinerea oder C. rugosa imitieren. Dazu kommt, dass es makroskopisch verschiedenste Formen und Zwischenformen der 4 Clavulinae gibt und auch die mikroskopische Trennung schwierig ist. (C. rugosa und C. reae haben Sporen, die 10 µm+ lang sein können, bei cinerea und coralloides höchstens 9,4 µm). Olariaga und Mitarbeiter (2009) zeigten auf, dass C. rugosa genetisch deutlich von den anderen C.-Arten abgegrenzt ist, aber, dass zwischen C. cinerea und C. coralloides ein grosses Übergangsfeld, gut repräsentiert durch C. cinereae var. grazilis besteht. Im Jahr 2012 wurden durch dieselben Autoren folgende Taxonomiegruppen vorgeschlagen: C. rugosa, C. cinerea, C. reae und C. coralloides, wobei C. reae dem genetischen Clan der C. cinerea var. grazilis entspricht und so zu Ehren des Erstbeschreibers der Grazilis, dem britischen Mykologen Rea, neu benannt wurde.
So stellten sich uns einige Fragen wie: was für Clavulinae wachsen im Aschuelwald? Gibt es einen Diplococcium–clavariarum– oder Helminthosphaeria-clavariarum-Befall, der klare Auswirkungen auf die Clavulina–Form hat, welcher äusserlich mit guter Lupe nicht sichtbar ist? Kann man diesen Befall mikroskopisch finden? Welche Faktoren bestimmen die Art und Form des Befalles und seiner Auswirkungen auf die Clavulina? So wurde der Beschluss gefasst, im neuen Jahr die Clavulinae und den Befall mit Helminthosphaeria clavariarum und/oder Diplococcium clavariarum zu beobachten und mikroskopisch zu untersuchen.
Vorgehen
Die in der letzten Oktober- und den ersten drei Novemberwochen 2022 in Aschuel und im Zürcher Sihlwald entdeckten Clavulinae, insbesondere diejenigen mit vermutetem Befall, wurden untersucht. Als befallen wurden folgende Kriterien festgelegt: klare Formveränderungen (Verklumpen der Clavulina-Astspitzen) und/oder klare Farbveränderung (grau-violett-schwarz) und/oder mit Lupe sichtbarer Befall. Alle gesammelten Clavulinae (15) wurden mit der Stereolupe angeschaut und mikroskopiert. Mindestens 3×3 Quetschpräparate wurden hergestellt: vom Clavulina-Stamm, von den -Astverzweigungen sowie von den -Astspitzen. Wenn der Befallsbefund unklar (z.B. in 3 Präparaten nur einmal 1 Konidienstrang), aber insbesondere, wenn kein Befall gefunden wurde, wurden zusätzlich zwei Präparate der Entnahmeebene (Stamm, Astverzweigung oder Astspitze) analysiert. Die Sporengrösse (es wurden mindestens 10 Sporen ausgemessen) und die Schnitte mit einem Befall wurden dokumentiert und qualitativ ausgewertet.
Funde
Gegen Ende Oktober 2022 wuchsen einige weisse Clavulinae im Aschuelwald, wo die gewundenen Kugeln gefunden wurden. Typische C. coralloides, weiss leuchtend und mit spitzigen Astenden, aber auch andere Astendformen und Strunkformen wurden gefunden, wie Bild 2 zeigt. Mikroskopisch zeigen sie alle die typischen tropfenförmigen Sporen und Basidien mit (1)-2 Sterigmen und Hyphen mit Schnallen. Clavulina c) (s. Bild 2) hat etwas grössere Sporen und ist nicht rein weiss, sondern hat einen graubeigen Schimmer und eine einfachere, schlankere Form. Weder mit der Stereolupe noch mikroskopisch konnte ein Befall festgestellt werden.
Bild 2: Clavulinae im Aschuelwald 2022; oben rechts Sporen, unten rechts Basidien der Clavulinae
Anfangs November fanden sich im Sihlwald, Kanton Zürich, mehrere Clavulinae und es schien, dass einige befallen waren. Es muss angemerkt werden, dass lange gesucht wurde, bis ein Exemplar die schwarzen Kissen der Helminthosphaeria clavariarum zeigte. Alle 11 gesammelten Clavulinae wurden genauer untersucht. Eine graue Clavulina mit violettlichem Schimmer, abgerundeten Astspitzen und Sporen unter 10 µm erwies sich als nicht befallen, das heisst in keinem der insgesamt 15 Präparate konnte ein Zeichen eines Befalls festgestellt werden und sie wurde deshalb als gesunde C. cinerea eingeteilt. Bei den verbleibenden 10 Clavulinae wurde ein Befall festgestellt. Diese lassen sich wie folgt einteilen:
a)
8 Exemplare hatten Farb und/oder Formveränderungen mit grauem bis schwarzem Belag am Clavulina-Stamm, der mikroskopisch aus Konidiensträngen (Konidiophoren) und Konidiensporen sowie aus Haarteilen besteht. In Bild 3 sind 3 Prototypen der gefundenen Clavulinae mit den typischen Konidiensträngen (einfach verzweigt) und braunen Sporen (ellipsoid bis keulenförmig, 13-29/6-9 µm, reife Sporen sind septiert (Goh und Klein (1998))4 des Diplococcium clavariarum dargestellt. Der Befall lässt sich v.a. am Stamm und etwas weniger in den Astverzweigungen mikroskopisch gut darstellen. Alle Sporen sind klar unter 10 µm lang.
Bild 3: Befallene Clavulinae, gefunden im Sihlwald 2022, mit sichtbarem äusserlichem Diplococcium-clavariarum-Befall und mikroskopischer Darstellung von links: septierte Haarteile, einfach verzweigte Konidienstränge und dunkelbraune Konidiensporen
b)
Bild 4 stellt die einzige Clavulina mit leichter Farb- und Formveränderung vor, welche klare schwarze Punkte am Stamm aufweist. Diese zeigen sich unter der Stereolupe als stachelige Kissen, in welchen sich das Perithezium der Helminthosphaeria clavariarum befindet. Die Asci3 enthalten 8 einzelreihige Sporen. Die hellbraunen Ascisporen sind vollgefüllt mit verschieden grossen Tropfen und ähneln einem gleichschenkligen Dreieck mit stark abgerundeten Ecken. Der Befall ist auf den Stamm beschränkt. Es wurde weder am Stamm noch an den anderen Schnittstellen Konidienstränge des Diplococcium clavariarum gefunden.
Bild 4: Mit Helminthosphaeria clavariarum befallene Clavulina, gefunden 2022 im Sihlwald.
c)
Eine der gefundenen Clavulinae wies Farb- und vor allem starke Formveränderungen auf, doch ohne sichtbaren Belag, auch mit Lupe und Stereolupe ist nichts davon zu entdecken. Mikroskopisch finden sich regelmässig aber vereinzelt die typischen Konidienstränge und -Sporen des Diplococcium clavariarum in den Astspitzen. Das Aussehen des verformten Pilzes (Bild 5) könnte auf eine befallene C. rugosa hinweisen, doch die Sporenlänge betrug klar weniger als 10 µm.
Bild 5: Stark formveränderte Clavulina ohne äusserlich sichtbaren Befall (links), doch Diplococcium clavariarum (rechts) ist mikroskopisch regelmässig nachweisbar.
Am 19.11.2022 fand ich im Aschuelwald, nach erneuter Schneeperiode und Minustemperaturen, wieder am ähnlichen Ort die eingangs erwähnten, kleinen Kugeln. Eine davon mass fast 5 x 2cm (Bild 6 links oben). Gleiches Bild aufgeschnitten und mit Lupe wie 2021; kein äusserer Befall sichtbar. Ich fand keine einzige der gesunden Clavulinae mehr, die ich vor dem Schneefall gesehen hatte!
Die mikroskopische Untersuchung zeigte Sporen bis über 10 µm, Hyphen mit Schnallen, die Hyphen sehr voluminös. In jedem Schnitt der gewundenen Enden fanden sich ein bis zwei der typischen Konidienstränge und Haare des Diplococcium clavariarum. Bei diesen kugelförmigen Gebilden ist es schwierig zu definieren, wo sich Stamm und Astverzweigungen befinden. Bei den neun Präparaten hatten drei einen negativen Befund, nämlich jene, in denen keine Basidien zu finden waren, am untersten Ende des Stammes.
Bild 6: Oben links und Mitte: Gewundene Kugeln aus dem Aschuelwald, gefunden November 2022. Oben rechts: Basidiosporen der untersuchten Clavulinae-Art. Unten: Mikroskopisch regelmässig nachweisbarer Befall durch Diplococcium clavariarum, einfach verzweigte Konidiophoren und septierte Haarreste.
Tabelle 1: Befallsformen und Topologie des Befalls
Entnahmeort | Äusserlicher Befall sichtbar | Äusserlicher Befall nicht sichtbar | |
Form und (Anzahl) | Diplococcium clav. (8) | Helminthosphaeria clav. (1) | Diplococcium clav. (2) |
Stamm | +++ | +++ | – |
Astverzweigung | ++ | (+) | (+) |
Spitzen | – | – | + |
Legende:
+++ in jedem Schnitt deutlicher Befall
++ in jedem Schnitt, doch mässiger Befall (>3 Konidienstränge)
+ in jedem Schnitt nachweisbar, aber nur 1-2 Konidienstränge
(+) in einem Schnitt nachweisbar
– nicht nachweisbar
Diskussion
Die Beobachtungen zeigen eindrücklich die unterschiedlichen Form- und Farbauswirkungen des Befalles mit Diplococcium oder Helminthosphaeria clavariarum auf die befallenen Clavulinae.
Die Untersuchungen legen nahe, dass zumindest drei Befallsformen oder Befallsstadien von Diplococcium oder Helminthosphaeria clavariarum existieren. Einerseits der Befall durch Helminthosphaeria clavariarum mit seinen sichtbaren Apothezien, die sich v.a. am Stamm der Clavulina ausbreiten. Andererseits wurden zwei Befallsformen oder -Stadien durch Diplococcium clavariarum festgestellt, ein äusserlich sichtbarer und v.a. den Stamm der Clavulina betreffend, sowie ein äusserlich nicht sichtbarer und v.a. die Astspitzen besiedelnd. Letzterer stellt einen leichten Befall mit einer kleinen Anzahl von Parasiten dar. Man muss sich die Frage stellen, ob ein sich zwar regelmässig feststellbarer, jedoch schwacher Befall, für die recht starken Formveränderungen an den zwei Clavulinae-Funden verantwortlich sein kann. Wenn man die Tabelle 1 anschaut, könnte man auch vermuten, dass die zwei Diplococcium-Befallsarten eine Abfolge darstellen: zuerst die Spitzen, dann den Stamm hinab. Gegen ein Anfangsstadium des Parasitenbefalles sprechen die starken Formveränderungen an den zwei Clavulinae. Da aber zusätzliche Faktoren bei der Formveränderung eine Rolle spielen könnten kann die Stadium Hypothese nicht verworfen werden. Allgemein wird die Ausbreitung beider Parasiten vom Stamm nach oben beschrieben. Jedoch schreibt Reblova (1999), dass Helminthosphaeria clavariarum auf dem Hymenium, also auf dem Ort der sexuellen Sporenbildung gefunden werde. Bei den Clavulinae findet diese in den Basidien statt. In unserer Beobachtungsreihe war, bei den äusserlich sichtbar befallenen Pilzen mit Diplococcium oder Helminthosphaeria clavariarum, der Befall makroskopisch wie mikroskopisch am Stamm, v.a. basal zu finden, dort wo es keine oder wenig Basidien hat. Jedoch wurde eine zweite Befallsform von Diplococcium clavariarum gefunden, welche v.a. bei den Basidien zu finden war. Wie Shenoy et al (2010) zeigen, wird es immer evidenter, dass die pilzlichen Abstammungslinien ein Mosaik aus Anamorphen, Teleomorphen und Pleomorphen umfasst, deren Entwicklung und Interaktionen wir noch kaum kennen.
Warum sich welche Befallsform ausbildet, können die wenigen Beobachtungen an 11 Clavulina-Exemplaren aus zwei Wäldern ohne systematisch aufgenommene Wachstumsbedingungen, keine Antwort geben. Viele Faktoren könnten dabei eine Rolle spielen wie das Alter des Pilzes beim Befall, der Typ der befallenen Clavulina (coralloides, reae, rugosa oder cinerea). Aber auch klimatische Bedingungen oder auch, ob Ascisporen oder Konidiensporen (wenn die beiden Parasiten zusammengehören) den Ursprung des Befalles darstellen. Apropos klimatischer Bedingungen: in beiden Jahren fanden sich die gewundenen Kugeln erst nach Frost und Schnee und die gesunden Clavulinae waren nicht mehr auffindbar. In beiden Jahren fanden wir mikroskopisch reife Clavulina-Sporen und so stellt sich die Frage, ob der Befall durch Diplococcium clavariarum die Clavulinae kälteresistenter macht. Jedenfalls verhindert der Befall nicht die Fortpflanzungsfunktion der Pilze; in allen untersuchten Clavulinae wurden auch bei starken Veränderungen normale Basidien und Sporen gefunden, wie auch schon Samuels und Mitarbeiter (1997) feststellten.
Am häufigsten scheint der äusserlich sichtbare Befall durch Diplococcium clavariarum zu sein, wenn man diese Beobachtungen und diejenigen von Jürg Mächler, der diesen Herbst ebenfalls drei Clavulinae mit einem solchen Befall in den Pilzverein mitbrachte, aber auch die Bilder und Texte im Internet heranzieht. Wenn Helminthosphaeria die teleomorphe (sexuelle) Form von Diplococcium clavariarum ist, könnte man dies nach Ivan Cucci so erklären: “Sex kostet”. Die Produktion von asexuellen Konidiensporen “kostet” biologisch weniger und ist zudem sicherer, so werden sexuelle Formen teilweise nur unter ganz bestimmten Bedingungen ausgebildet.
Es konnte gezeigt werden, dass im Aschuelwald Clavulinae wachsen, insbesondere verschiedene C. coralloides, doch auch eine Clavulina, welche makroskopisch wie mikroskopisch eine C. reae darstellen könnte (siehe Bild 2, Abb. C): schlanke Äste, leichter grau-beiger Farbton und Sporen über 10 µm lang. Auch die später gefundenen befallenen Kugeln weisen Sporen über 10 µm auf. So wird die am Ursprung dieser Untersuchungen stehende Verdachtsdiagnose von Christian Klee, es könnte sich um eine befallene C. reae handeln, stark unterstützt. Eine genetische Untersuchung würde definitiv Klarheit schaffen.
Ich möchte betonen, dass es sich hier um eine einfache nicht systematische Beobachtungsreihe an einer geringen Anzahl von Clavulinae handelt. Es können daher keine allgemeingültigen Aussagen gemacht werden. Wissenschaftlich gedacht ist es auch schwierig bis unmöglich, einen Nichtbefall sicher nachzuweisen. So muss man sich die Frage stellen, ob 15 Quetschpräparate mit negativem Befund belegen, dass kein Befall vorliegt und man muss das Mass (15 negative Präparate) als Annäherung verstehen. Ein Befall kann somit nicht ausgeschlossen werden, aber seine Wahrscheinlichkeit ist stark reduziert.
Die vorliegende Beobachtungsreihe legt nahe, dass es verschiedene Befallsformen oder -Stadien von Diplococcium clavariarum gibt. Weitere Untersuchungen, insbesondere auch mit genetischen Analysen sind notwendig, um diesen Befund zu sichern, sowie endlich zu klären, ob Helminthosphaeria clavariarum wirklich die Teleomorphe von Diplococcium clavariarum darstellt.
Referenzen
Franchi P und Marchetti M. I Fungi clavarioidi in Italia, AMB, Vizenza 2021
Samuels Gj, Caudoussau F und Magni JF. Fungicolous pyrenomycetes I. Helminthosphaeria and the new family of Helminthosphaeriaceae. Mycologia (1997) 89:141-155
Kirschner R. und Oberwinkler F. Mycoparasitism by three species of Diplococcium (Hypomycetes), Plant biol. 3 (2001) 449-454,
Olariaga I, Jugo BM, García-Etxebarria K, Salcedo I. Species delimitation in the European species of Clavulina (Cantharellales, Basidiomycota) inferred from phylogenetic analyses of ITS region and morphological data. Mycological research 113 (2009) 1261-1270
Olariaga I und Salcedo I. New combinations and notes in clavaroid fungi. Mycotaxon 121; (2012) 37-44: http://dx.doi.org/10.5248/121.37
Goh TK und Hyde KD. A synopsis of and a key to diplococcium species, based on the literature, with a description of a new species. Fungal diversity (1998) 1:65-83
Reblova M. Teleomorph-anamorph connections in Ascomycetes 3. Three new lignicolous species of Helminthosphaeria. Sydowia (1999) 51(2):223-244
Shenoy BD, Jeewon R, Wang H, Amandeep K, Ho WH, Bhat DJ, Hyde KD. Sequence data reveals phylogenetic affinities of fungal anamorphs, Bahusutrabeeja, Diplococcium, Natarajania, Paliphora, Polyschema, Rattania and Spadicoides. Fungal Diversity (2010) 44:161-169
Fussnoten
1 Der für die Gattung Clavulina ebenfalls gebräuchliche deutsche Name Koralle wird hier vermieden, um Verwechslungen mit der Gattung Ramaria zu vermeiden, die ebenfalls korallenförmige Wuchsformen beinhaltet.
2 Im Folgenden wird der lateinische Plural Clavulinae gebraucht
3 Bei den sog. Schlauchpilzen (Ascomyzeten): mikroskopisch kleine schlauchartige Gebilde, in denen die Pilzsporen reifen.
4 Bei Goh und Hyde findet sich ein brauchbarer Diplococcium-Arten-Schlüssel
Danksagung
Ein grosser Dank geht an Edith und Jürg Mächler, welche mit ihrem Sprachgefühl und Sorgfalt für die Textverständlichkeit diesen Text lektoriert und mitgestaltet haben.
Brigitta Danuser, Zürich, 5. Mai 2023