Gelber Schuppenwulstling – Squamanita schreieri

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Recherchen und Bericht: Brigitta Danuser

In der Studienwoche des Vereins für Pilzkunde Zürich vom 9.-13.10.2023 in Quarten, entdeckten Mariette Bitterli und ich drei wie aus Tüten herausragende gelbleuchtende, aufgereiht stehende Pilze am Wegrand in sandigem Schotter. Obwohl wir beide den Pilz in natura noch nie gesehen hatten, war uns sofort klar, dass wir einen Gelben Schuppenwulstling (Squamanita schreieri), eine der geheimnisvollen Squamanita-Arten vor uns hatten (Bild 1). 

Bild 1: Squamanita schreieri (Gelber Schuppenwulstling); Zeichnung ©Brigitta Danuser

Beobachtungen morphologischer Merkmale und der Ökologie veranlassten einige Autoren in den 70er-80er Jahren des letzten Jahrhunderts zu der Annahme, dass Squamanita-Arten andere Pilze parasitieren (Watling 1974, Reid 1983). Dies ist heute auch genetisch nachgewiesen (z.B. Saar et al 2022); die untere Stielknolle weist die Genetik des Wirtes auf und der ausgeformte Pilz zeigt die Squamanita-Genetik. So parasitiert der Gelbe Schuppenwulstling den Fransigen Wulstling (Amanita strobiliformis) und den Stachelschuppigen Wulstling (Amanita solitaria). Der Duftende Schuppenwulstling (Squamanita odorata) wächst auf dem Dunkelscheibigen Fälbling (Hebeloma mesophaeum). Gemäss neueren phylogenetischen Studien soll der Duftende Schuppenwulstling keine Squamanita mehr sein, sondern eine Dissoderma (Saar et al 2022). Die Gattung Squamanita wäre in senso stricto nur denjenigen Schuppenwulstlingen vorbehalten, die eine Amanita-Art parasitieren. 

Der Gelbe Schuppenwulstling ist, gemäss dem Verbreitungsatlas der Pilze der Schweiz, mit 15 Funden (1991-2023) die häufigste Squamanita-Art in der Schweiz, gefolgt von Squamanita odorata mit 8 und Squamanita paradoxa (Goldstiel-Schuppenwulstling) mit 3 Funden. 

Die gefundene Squamanita schreieri wurde im frischen Zustand in Quarten mikroskopiert (Bild 2) und die Befunde entsprachen weitgehend den Beschreibungen von Breitenbach und Kränzlin (1995), ausser dass nur wenige der langen Cheilozystiden gefunden wurden. Bei der Erarbeitung dieses Berichtes fiel auf, dass die mikroskopischen Merkmale, insbesondere die Existenz der langen Cheilozystiden und die Punktiertheit der Chlamydosporen (z.B. Freléchoux 2019) unterschiedlich dargestellt werden. Deswegen wurde das Exsikkat der Squamanita schreieri im Januar 2024 nochmals mikroskopiert. Im Exsikkat konnten die grossen > 60 µm langen Cheilozystiden nicht wiedergefunden werden, jedoch wurden die Chlamydosporen wieder punktiert, dickwandig und am Rand wie ganz feinstachelig aufscheinend gesehen.

Bild 2: Basidiosporen, Chlamydosporen und Cheilozystiden von Squamanita schreieri; Zeichnung ©Brigitta Danuser

Der aufgeschnittene Gelbe Schuppenwulstling (in Bild 1 unten links) zeigt den Wirtspilz als graue, klar abgegrenzte Masse. In der Basis derselben finden sich die runden, 7-10 µm messenden Chlamydosporen. Als Chlamydosporen werden dickwandige vegetative (d.h. asexuelle) Sporen bezeichnet. Schon Redhead et al. (1994) stellten fest, dass die meisten Squamanita-Arten Chlamydosporen produzieren, die in das Gewebe ihres Wirts eingebettet sind. Es stellt sich hier aber doch die Frage, wer diese asexuellen ‚Notanker‘-Sporen produziert: der Gast oder der schwer bedrängte Wirt? Auch Saar et al. (2022) erwähnen, dass weitere Studien wünschenswert wären, in denen untersucht wird, ob diese Chlamydosporen zum Parasiten gehören oder nicht. 

So gibt der Gelbe Schuppenwulstling (Squamanita schreieri), von E. Imbach 1946 erstmals wissenschaftlich beschrieben, heute immer noch Rätsel auf!

Literatur

Breitenbach J. und Kränzlin F. Pilze der Schweiz, Band 4, Nr. 263, Mykologia, Luzern 1995

Freléchoux F. Faszinierende Pilzkunde, die Gattung Squamanita. Schweizerische Zeitschrift für Pilzkunde, 4, 12-14, 2019 https://www.e-periodica.ch/digbib/view?pid=szp-001:2019:97::204#125

Redhead S.A., Ammirati J.F., Walker G.R., Norvell L.L., Puccio M.B. 1994. Squamanita contortipes, the rosetta stone of a mycoparasitic agaric genus. Can. J. Bot. 72 (12):1812–24.

Reid D.A. 1983. A second British collection of Squamanita paradoxa. Bulletin of the British Mycological Society. 17 (2):111–13. Ridley GS. 2012

Saar I., Thorn R.G., Nagasawa E., Henkel T.W. and Cooper J.A. A phylogenetic overview of Squamanita, with descriptions of nine new species and four new combinations MYCOLOGIA, VOL. 114, NO. 4, 769–797, 2022 https://doi.org/10.1080/00275514.2022.2059639

Watling R. 1974. Notes on some British agarics: IV. notes from the Royal Botanic Garden. Edinburgh. 33:325–31.µ

Brigitta Danuser, Zürich, 6. Februar 2024